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Trends der Weltbierkultur

Auf dem World Beer Cup 2010 Anfang April in Chicago kommen sie alle zusammen: die kreativen Brauer der neuen Weltbierkultur. Männer und Frauen, die stets auf der Suche sind nach neuen Zutaten und Brauverfahren, die sich inspirieren lassen von traditionellen Methoden anderer Länder und Regionen sowie von den innovativen Produkten ihrer Kollegen. Dabei zeichnen sich einige Trends ab, die auch zaghaft beginnen, sich in Deutschland zu zeigen. Bierjournalistin und Bier-Sommelière Sylvia Kopp gibt einige Beispiele:

Hopfenstark - India Pale Ale

Saphir Bock, ein Doppelbock der Brauerei Schönram
Saphir Bock, ein Doppelbock der Brauerei Schönram
© Brauerei Schönram

Kaum ein internationaler Bierpilger, der dem India Pale Ale, kurz IPA genannt, nicht huldigt. Es ist enorm bitter und zugleich enorm aromatisch. Hat man den Anfangsschock der Bitterkeit überwunden, fühlt man sich ganz betört von den blumig-fruchtigen Noten, die diese goldene bis orangefarbene obergärige Sorte laut aber harmonisch zu spielen vermag. IPA hat Kultstatus. In den USA gibt es kaum eine Brauerei, die diesen Bierstil nicht im Standardprogramm führt. Auch in der alten Welt taucht es mittlerweile hier und da im Sortiment der Brauereien auf.

Die Biersorte stammt aus England. Die Briten brauten dieses Pale Ale für ihre indischen Kolonien, daher der Name. Damit das Bier die lange Überfahrt überstand, brauten sie es etwas kräftiger ein und gaben ihm eine Extra-Portion Hopfen. Denn Hopfen wirkt konservierend. Sie gaben die Dolden nicht in die Sudpfanne, wo die delikaten Aromen verdampfen und verkochen würden, sondern in die Holzfässer, die sie auf den Seeweg schickten. So konnten all die feinen ätherischen Öle in das Bier eindringen. In Indien kam daher ein hocharomatisches Getränk an. Eigentlich sollte es vor Ort verdünnt werden, aber es schmeckte den Leuten so gut, dass man es so beließ: eine neue Sorte war geboren.

In den USA schreibt man die IPA-Welle dem Biergott Vinnie Cilurzo zu. Er braute 1994 das erste super-bittere Bier dieser Art und nannte es „Blind Big Double IPA“ nach dem Namen seiner damaligen Brauerei. Heute ist Cilurzo Braumeister der „Russian River Brewing“ in Nordkalifornien und das Nachfolge-Produkt aus seinem Kessel heißt „Pliny the Elder“. Biere von „Russian River“ sind hochbegehrt und selbst in den USA schnell vergriffen. Ich habe sie einmal in dem Amsterdamer Fachgeschäft „Cracked Cattle“ für sehr teueres Geld gesehen. Kürzlich auf dem Zythos Bierfestival in der Nähe von Antwerpen hat mir ein Kalifornier, der mit einer Delegation von Westcoast-Braumeistern und Barbesitzern in Belgien unterwegs war, eine Flasche „Pliny the Elder“ geschenkt: Ein Traum!

In Deutschland wird IPA eher heimlich hergestellt und ohne Auslobung der Sorte. So hört man von den Brauereien Riegele in Augsburg und Diestelhäuser in Tauber-Bischofsheim, dass sie dieses Bier exklusiv für Ihre Fanclubs brauen.

IPA sei Dank ist der Aromahopfen durch diesen Kult zu neuen Ehren gelangt. Und das ist ein Segen für Genießer, denn Aromahopfen verleiht dem Bier ein wunderbares Bouquet. Das erkennen auch die deutschen Brauer zunehmend. So legt etwa die Erstausgabe 2010 der Welde-Jahrgangsbier-Serie einen Fokus auf dieses Gewürz: Die bereits vergriffene Sonderedition ist mit dem australischen „Pride of Ringwood“ gebraut. Auch Eric Toft, Braumeister der Schönramer Brauerei, lässt die Finger vom Hopfen nicht: Er hat den geschmacksstarken „Saphir Bock“ kreiert, ein heller trocken ausgebauter Doppelbock mit der deutschen Hopfenneuzüchtung Saphir.

Bière Brut – Fühl mal, wie das prickelt

Ein relativ junger Bierstil, erfunden 2000 von der belgischen Traditionsbrauerei Bosteels im flämischen Buggenhout. „Deus“, so heißt die Kreation, ist ein helles obergäriges Bier, das Bosteels nach einer vierwöchigen Reifephase in Lagertanks in die Champagne verfrachtet, weil dort alle Vorrichtungen sowie Lagerkapazitäten vorhanden sind. Denn das Bier wird dort in schweren Schampusflaschen unter Zugabe von Spezialhefe und Gärzucker abgefüllt und durchläuft dann eine mehrmonatige Flaschengärung nach der „méthode traditionelle“. Dabei entstehen neben einem höheren Alkoholgehalt von 11,5 Volumenprozent und einer feinperligen Kohlensäure auch vielschichtige fruchtig-würzige Aromen.

Die Flaschengärung ist ein monatelanger Prozess mit vielen Feinheiten: So lagern die Flaschen bei einer konstanten Temperatur von 22 Grad Celsius in einem extra angefertigten Gestell mit dem Hals nach unten. Von Zeit zu Zeit werden sie gedreht, während die Neigung der Flasche immer steiler eingestellt wird. Voilà, die traditionelle Methode des „remuage“, des Rüttelns wie bei der Champagnerherstellung! Dabei wandert die Hefe ganz allmählich in den Flaschenhals. Wenn nach Monaten des behutsamen Drehens und Wendens die Flaschen vertikal auf dem Kopf stehen, wird ihr Hals eingefroren, was dazu führt, dass der Hefepfropfen durch den in der Flasche erzeugten Druck herausschießt. Dies ist aus der Champagnerherstellung als „dégorgement“ bekannt. Bei der darauf folgenden „dosage“ wird die Flasche wieder mit Bier aufgefüllt und kann schließlich verkorkt, verschlossen und verpackt werden.

In Deutschland hat Braumeister Thomas Kipka von der Westindien Compagnie Seehandelsgesellschaft in Flensburg ein ähnliches und doch eigenständiges Bier entwickelt: den „Sylter Hopfen“. Kipka braut untergärig ein, lässt das Bier nach erster Fermentation und Reifung ebenfalls ein weiteres Mal mit einer Spezialhefe in der Flasche gären. Er verwendet zudem englische Hopfensorten, die auf der Insel Sylt angebaut werden – daher der Name des Produktes. Ebenfalls aufwendig verpackt, nummeriert und mit Abfülldatum versehen ist „Sylter Hopfen“ eine edle Spezialität, die dazu angetan ist, das Ansehen der Kategorie Bier zu heben.

Fassausbau – Was lange reift, wird endlich gut

Bourbon Barrels von Camba Bavaria
Bourbon Barrels von Camba Bavaria
© Camba Bavaria GmbH

Brauer Markus Lohner von der Brauerei Camba Bavaria in Truchtlaching hat sich in den USA inspirieren lassen. In Kentucky, wo er einige Jahre arbeitete und lebte, habe er etliche Pale Ales probiert, die in so genannten Bourbon Barrels gereift waren. So hat er just im vergangenem Winter ein sensationelles Bier mit eben diesem Namen geschaffen. Bei seinem „Bourbon Barrel“ handelt es sich um einen naturtrüben Doppelbock, der nach der Hauptgärung im offenen Bottich und der Lagerung in liegenden Tanks zusätzlich sieben Monate lang bei kühlen 0 °C in Whisky-Eichenfässern nachgereift ist.

Dabei ist ein einzigartiges Produkt entstanden. Das Bier, von dem es in erster Auflage rund 400 Flaschen gab, riecht nach dunklen Kirschen, Whisky und Vanille. Der Antrunk ist samtig, weiche Vanille- und Holztöne, Whisky-Noten und Momente von Kakao schmeicheln den Gaumen. Der Ausklang ist gradlinig und trocken. „Eine Punktlandung“ wie Lohner selbst sagt. Was nicht selbstverständlich sei, zeitgleiche Versuche mit hellem Starkbier hätten nicht zum Genuss gereicht. Und obwohl man zur Zeit von einigen deutschen Brauern hört, dass sie mit Fassausbau experimentieren, ist der „Bourbon Barrel Doppelbock“ das erste Produkt dieser Machart auf dem deutschen Markt.

Gastbrauen – Konspiratives aus dem Sudkessel

In den neuen Bierkulturen dieser Welt, vor allem aber in den USA und Italien, werden Brauer verehrt wie Stars. Sie verstehen ihr Handwerk wie ein Chef de Cuisine. Und wie hierzulande die Fernsehköche, so stecken auch sie ihre Köpfe hin wieder über den Sudkesseln zusammen. Das Brauen wird dabei zum Event. Die Biere, die aus so einem konspirativen Akt hervorgehen, haben per se den Nimbus eines Kultgetränkes. In Deutschland hat sich erst ein Brauer daran gewagt, so etwas zu veranstalten: Im Jahre 2007 war der renommierte Braumeister der Brooklyn Brewery bei Schneider Weisse in Kehlheim zu Gast. Oliver und der dortige Braumeister Hans-Peter Drexler entwickelten damals gemeinsam die „Schneider & Brooklyner Hopfen Weisse“. Ein heller Weizendoppelbock der mit viel Aromahopfen gewürzt ist – bis dato für Weizen völlig ungewöhnlich. Drexler und Oliver wählten die Hopfensorte Saphir aus, die mit ihrem besonders eindrucksvollen fruchtig-blumigen Aromen hervorragend zur leichten Zitrusnote des Weizens passt. Von dem Bier sollte es ursprünglich nur einen Sud geben. Mittlerweile ist es als „Hopfenweisse“ im Standardsortiment des Weißbierbrauers aufgenommen.

Text: Sylvia Kopp

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