
Bio boomt. Doch wie lässt sich Bio erleben, wie es Gut Wulksfelde in seinem Logo formuliert?
Ein stadtnaher Biohof wie das Gut Wulksfelde kurz vor Hamburg bietet eine gute Gelegenheit, einfach mal hinter die Kulissen zu gucken: Wie funktioniert Landwirtschaft überhaupt, wie werden ökologische Lebensmittel angebaut, hergestellt und verarbeitet. Auf Gut Wulksfelde kann man mit allen Sinnen erleben, was ökologische Landwirtschaft ist.
Haben Sie eine eigene Schlachterei?
Nein, für die Schweine und Rinder auf unserem Hof haben wir einen zertifizierten Schlachter, für die Hühner einen weiteren, wo wir die Tiere selbst hinbringen und Fleisch und Wurst auch wieder abholen.
Und wie funktioniert Bio? Worin unterscheiden sich Bioprodukte von konventionellen?
Ein gravierender Unterschied zu konventioneller Ware ist der Verzicht auf synthetisch-chemische Pflanzenschutzmittel. Bio beginnt beim Saatgut und den Jungpflanzen, die, wenn sie auf dem Markt erhältlich sind, bereits aus biologischer Erzeugung sind, also ohne Einsatz von synthetisch-chemischem Pflanzenschutzmitteln angebaut werden. Statt Pestizide einzusetzen, wird zum Beispiel Unkraut mechanisch, d. h. durch Jäten und Hacken entfernt.
Bietet der große Hofladen also nur Produkte an, die direkt auf dem Hof angebaut, bzw. hergestellt werden?
Andersherum: Alle Produkte, die auf dem Hof hergestellt werden, gibt es im Hofladen zu kaufen. Um unseren Kunden jedoch ein möglichst großes Sortiment an Biowaren anzubieten, gibt es dort deutlich mehr als die hofeigenen Produkte im Angebot.

Bioware findet sich immer mehr auch in Supermarktregalen und Discountern. Ist Bio drin, wenn Bio drauf steht?
Ich arbeite neben meiner Mitarbeit auf dem Gutshof Wulksfelde auch als Zertifizierer, kenne also beide Seiten: Jedes Produkt oder Lebensmittel, das als biologisch/ökologisch bezeichnet wird, muss nach den Richtlinien der EU-Bio-Verordnung zertifiziert sein und erhält dann das neue EU-Siegel oder die nationale Kennzeichnung. Deutschland hat sich dafür eingesetzt, dass das bekannte nationale Biosiegel weiter verwendet werden darf, wie auch die Logos der anerkannten deutschen Anbauverbände, deren Richtlinien einem höheren Standard unterliegen, glücklicherweise weiter genutzt werden können. Durch diese Bio-Definition ist ein großes Maß an Sicherheit gewährleistet, das für verarbeitete und unverarbeitete Lebensmittel und die so genannte importierte Drittlandsware, gilt. Beschreibungen von Lebensmitteln, die den Verbraucher gewinnen sollen, wie beispielsweise „aus integriertem Anbau" oder aus „nachhaltiger Landwirtschaft “ sind Begriffe, die, im Vergleich zu "biologisch" oder "ökologisch", nicht gesetzlich geschützt sind.
Neben Bio geht der Einkaufstrend deutlich in Richtung regionale Produkte. Was haben regionale Produkte mit Bio zu tun?
Das Interesse an regionalen Produkten ist eine Tendenz, die in den letzten Jahren in Gang gekommen ist und die wir Biobetriebe sehr gut heißen - lange Jahre ging der Trend genau in die andere Richtung. Als Gut Wulsfelde kommt es uns sehr entgegen, da es für uns von Anfang darum ging, langfristige Beziehungen zu in der Region ansässigen Partnerbetrieben zu etablieren und Produkte aus engstem Umkreis zu vermarkten, um aus ökologischer und ökonomischer Sicht unnötige Wege zu vermeiden.
Ist das Angebot in Discountern und Supermärkten an Bioware zu begrüßen oder gerät man als Hofladen dadurch unter Druck, da evtl. Preissenkungen anstehen?
Die Bandbreite der möglichen Kunden hat sich vergrößert, seit ökologische Waren nicht mehr nur ein Nischenprodukt in Spezialläden sind. Jeder kommt, mit seinen ganz individuellen Einkaufsgewohnheiten, an Bioprodukten vorbei und hat die Gelegenheit, alternativ darauf zurück zu greifen. So ist Bio viel stärker in den Alltag integriert und zur Normalität geworden, wovon alle Biohändler profitieren. Das Gut Wulksfelde bietet als ausgesuchtes Fachgeschäft mit einem breiten Sortiment einen grundlegenden Unterschied als Einkaufsstätte zum Discounter: die Beratung als wichtigen Service.
Neben Bio erhält der Begriff der Nachhaltigkeit mehr Gewicht in Bezug auf Lebensmittel. Ist Bioware automatisch nachhaltig produzierte Ware?
Nachhaltigkeit definiert sich darüber, dass die Produkte ökologisch, sozial und ökonomisch sinnvoll hergestellt worden sind. Die sozialen Standards sind nicht automatisch in der EU-Bio-Verordnung festgelegt. Da muss man sich eigentlich die einzelnen Anbauverbände vornehmen, ob jeweils soziale Standards eine Rolle spielen. So spielt der soziale Aspekt bei den Anbauverbänden Bioland und Demeter eine sehr große Rolle. Ansonsten garantiert das Fair Trade Siegel die Einhaltung korrekter Handelsbeziehungen.

Ökologische und regionale Ernährung: Kaufe ich besser den Bioapfel aus Neuseeland oder den konventionell angebauten Apfel aus Schleswig Holstein?
Darüber kann man sich munter auseinander setzen. Natürlich ist ein so weit gereistes Produkt in seiner Klimabilanz weniger gut ist als ein konventionelles regionales Produkt, aber es geht vor allem darum, dass sich ein anderes Denken entwickelt hat. Es ist inzwischen möglich, ganz viele ökologische, regionale Ware zu bekommen. Und dafür versuchen wir unsere Kunden zu sensibilisieren: Erdbeeren im Winter müssen nicht sein, deshalb bieten wir auch keine an. Bei Äpfeln sieht es etwas anders aus: Wenn es gar keine anderen Äpfel mehr gibt, gibt es auch in Wulksfelde für kurze Zeit welche aus Neuseeland. Es ist einfach wichtig, einen Apfel anbieten zu können, den braucht man im Gegensatz zu Erdbeeren immer im Sortiment.
Wie reagieren sie auf Nachfragen der Kunden?
Die Direktvermarktung ist natürlich besonders gut, weil man so nah an den Kundenwünschen dran ist. Wenn diese nun in unseren Hofladen kommen und sagen, die Wurst könnte aber noch mit diesem oder jenem Gewürz verfeinert werden, können wir prüfen, ob wir direkt darauf reagieren. Das wäre nicht so leicht möglich, wenn wir über weite Vermarktungswege unsere Endkunden gar nicht kennen würden. Wir informieren unsere Kunden gerne gut und gehen in den Dialog z.B. mit unseren Infoabenden im Hofladen oder mit regelmäßigen Hofführungen.
Und was macht der Ökoklassiker „Biokiste“?
Mehr als 1500 Familien werden pro Woche vom Hof aus von unserem Lieferservice beliefert, man kann sich weiterhin von der Abokiste überraschen lassen, aber viele Kunden nutzen die Möglichkeit der individuell zusammen gestellten Kiste, meistens über Online-Bestellungen. Der Serviceaspekt spielt hier eine große Rolle - die Lebenssituationen sind inzwischen so unterschiedlich, da entscheiden Kunden gerne selbst, was sie brauchen.

Das Gut Wulksfelde hat neben Hofladen, Tierhaltung und Ackerbau, eine hofeigene Bäckerei. Wodurch zeichnet sich diese aus?
Das Getreide, das wir auf unseren Feldern anbauen wird gleich vor Ort in der Wulksfelder Gutsbäckerei frisch und schonend auf der eigenen Steinmühle gemahlen und nach traditionellen Rezepten zu leckeren Broten und Brötchen verbacken. Alle weiteren Zutaten sind selbstverständlich ökologisch erzeugt, auch der Mohn auf den Mohnbrötchen und die Rosinen im sogenannten Rosinenpudel.
Was backt die Gutsbäckerei? Gibt es auch Torten, Kuchen und helle Weizenmehlprodukte?
Norbert Klemme, der Bäckermeister und seine Mitarbeiter backen täglich 26 verschiedene Brotsorten und 23 Brötchensorten. Dabei sind Hefe- und Weizenfreie Brote, ein zusätzliches Brot des Monats. Kuchen und Torten werden von Partnerkonditoreien hinzu gekauft, natürlich in Bioqualität. Das Wulksfelder Roggenbrot ist unser Klassiker mit seiner tollen Kruste. Es gibt helle Brote und Brötchen. Unser Weg ist es 100% ökologische Produkte anzubieten, aber ob sich die Kunden bei uns für ein Vollkorn- oder ein Auszugsmehlprodukt entscheiden, überlassen wir ihnen.
Ein Vorurteil gegenüber Bioware hält sich trotz steigender Beliebtheit stetig: Ist Bio teurer?
Viele konventionelle Produkte sind eher viel zu billig, weil viele Folgekosten der günstigen Produktion auf anderen Wegen an den Verbraucher zurückkommen. Zum Beispiel über Wasserkosten, wenn Brunnen geschlossen werden müssen, da zu viele Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser nachgewiesen werden und solche Dinge. Ein ökologisches Vollkornbrot ist vielleicht teurer, macht aber schneller satt, bzw. hält länger vor, man braucht weniger Scheiben essen um satt zu werden. Auffällig ist der Preisunterschied natürlich bei den tierischen Produkten: Eier und Fleisch kosten mehr. Was aber Sinn macht, da die Ware von einem vielseitigen Betrieb kommt, der nicht so hoch spezialisiert ist wie der intensiv wirtschaftende konventionelle Legehennenhalter, der keine Ackerflächen hat um eigenes Futter anzubauen. Außerdem fressen unsere Schweine doppelt so lange unser gutes ökologisches Futter, da die Tiere doppelt so alt wie konventionell gezüchtete Schweine werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Neben Tiergarten, Hofladen und Bäckerei lädt das Gut Wulksfelde zu verschiedensten Informationsveranstaltungen und Verkostungen rund um die ökologische Landwirtschaft ein. Wer sich kulinarisch von den Vorzügen saisonaler Landküche überzeugen möchte, findet im Restaurant Gutsküche Gelegenheit.
Martin Grunert, Gärtnermeister und Pädagoge, ist seit 16 Jahren auf Gut Wulksfelde für die Durchführung von Hofführungen, Kundenseminaren und Angeboten für Kinder und Jugendliche verantwortlich.