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Interview mit Coffee Circle

Fair gehandelter Kaffee erfreut sich schon seit längerem großer Beliebtheit und ist inzwischen so gut wie überall erhältlich. Für Moritz Waldstein-Wartenberg, Robert Rudnick und Martin Elwert war das nicht genug. Sie setzen mit ihrem Unternehmen Coffee Circle ein Geschäftsmodell um, dass den bisher bekannten fairen Handel ergänzt: Sie wollen hochwertige Produkte liefern und mit den Erlösen direkt und persönlich die Produzenten vor Ort unterstützen.
Robert und Martin mit Mühle und Kaffee
Robert und Martin mit Mühle und Kaffee
© privat

Coffee Circle betreibt direkten Handel mit den äthiopischen Erzeugern ihres Premium-Kaffees. Philosophie des Startups ist die direkte, effektive und transparente Förderung sozialer Projekte vor Ort. Ein Euro pro Kilo gekauftem Kaffee fließt in die äthiopischen Kaffee-Kooperativen, in denen die Projekte verwirklicht werden. Über die Webseite von Coffee Circle können Verbraucher entscheiden, welches Projekt sie mit ihrer Kaffee-Bestellung fördern wollen und den Fortschritt des Projektes mitverfolgen. Ende 2010 wurde der Online-Shop eröffnet und inzwischen sind zwei Projekte fertig gestellt: ein Brunnen, der 2000 Menschen mit sauberem Wasser versorgt und die Ausstattung einer örtlichen Schule mit Büchern und Lehrmaterialien für 1200 Schulkinder. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten steht jedoch der Spitzenkaffee als hochwertiges Naturprodukt. Im Interview mit essen-und-trinken.de stellen Martin und Robert ihr Modell näher vor, natürlich bei einer Tasse exzellentem Kaffee.

Wie begann die Geschichte von Coffee Circle?

Martin: Moritz hat 2007 mit seinem Bruder einen Verein gegründet, um Geld zum Bau einer Schule für Waisenmädchen in Äthiopien zu sammeln. Sie haben gesehen, dass die Kinder mit 18 aus dem Heim müssen und meistens auf der Straße landen, weil sie weder Ausbildung noch gesellschaftliche Stellung haben. Sie dachten „Wir müssen hier was machen“ und fingen an, mit den Spenden, die der Verein gesammelt hat, die Schule zu bauen, die dann 2009 eröffnet wurde. Im Rahmen der Eröffnung war ich mit in Äthiopien, und der Kontakt zum Kaffee und zur äthiopischen Kultur kam zustande. Wir stellten fest, dass diese Leute einen der weltbesten Kaffees produzieren und nicht einmal die Schulgebühr von 20 Cent pro Monat für ihre Kinder aufbringen können. Wir fragten uns: Können wir nicht den Kaffee exportieren und ihnen mehr als die üblichen FairTrade-Systeme zurückgeben? Damit war der Gedanke geboren und wir fingen an, die Dinge grob zu berechnen. Es war aber auch klar, dass wir die Dinge erst richtig einschätzen können, sobald wir es gemacht haben. Wir hatten das Geschäft grob durchdacht, aber dadurch, dass wir nicht aus dem Kaffee-Bereich kamen, mussten wir zunächst viele Dinge analysieren, zum Beispiel in Bezug auf den Export von Lebensmitteln. Wir hatten Ahnung von Kaffee, waren aber noch keine Spezialisten. Ende 2009 sind wir zusammen nach Berlin gezogen und haben im Februar 2010 mit der Planung losgelegt. Wir mussten die Webseite aufsetzen, einen Namen und ein Logo finden und natürlich nach Äthiopien fliegen und die Kaffees aussuchen. Manche Dinge haben sich dann ein wenig verzögert, aber letztendlich konnten wir im Dezember den Betrieb aufnehmen.

"Cupping": Kaffees verkosten und vergleichen
"Cupping": Kaffees verkosten und vergleichen
© Coffee Circle

Was macht euren Kaffee besonders?

Martin: Wir arbeiten nur mit hochwertigen Arabica-Bohnen. Und vor allem haben wir eine Röstung, die sehr schonend ist. Beim traditionellen Trommelröstverfahren, mit dem unser Kaffee geröstet wird, werden die Bohnen 20 Minuten bei ca. 200° geröstet, wodurch viele Säuren und Bitterstoffe aus dem Kaffee „herausgeröstet“ werden, die eigentlich nichts darin zu suchen haben. So kommt ein sehr milder Geschmack zustande.

Robert: Außerdem: Entspricht ein Kaffee nicht mehr unseren Qualitätsvorstellungen, nehmen wir ihn aus dem Programm.

Martin: Letztendlich hat Kaffee eine Vielfalt wie Wein, und es spielt eine Rolle, ob er am Nord- oder am Südhang gewachsen ist und ob er 500 m weiter oben oder unten angebaut wurde. Beim Wein ist es akzeptiert, nach bestimmten Erntejahrgängen zu unterscheiden, was beim Kaffee genauso möglich ist. Deswegen macht es für uns auch Sinn, den Yirgacheffe nicht mehr anzubieten, auch wenn er stark nachgefragt wird. Neue Ernte, neuer Kaffee. Er war dieses Jahr einfach nicht so gut. Dann haben wir neue Kaffees probiert und sind auf den Sidamo gekommen. Aber ich glaube, dass wir unseren Kunden gut kommunizieren können, dass wir immer den besten Kaffee auswählen wollen.

Ihr pflegt eine sehr liebevolle, fast zeremonielle Art der Kaffeezubereitung. Ist das auch Teil eurer Philosophie?

Martin: In Deutschland gibt es unserer Meinung nach abgesehen von der French Press relativ wenige Produkte, mit denen man „liebevoll“ Kaffee zubereiten kann. In Äthiopien hat Kaffee einen sehr großen Stellenwert, ist sehr präsent in der Kultur. Morgens, mittags und abends wird eine Kaffeezeremonie gemacht. Im Rahmen dieser Zeremonie wird der Kaffee zunächst in der Pfanne „gebraten“, also geröstet, dann wird er mit einer Art Mörser zerstampft und anschließend in einem Tonkrug aufgekocht. Das ist in unseren Augen nicht die optimale Zubereitungsart, aber es geht in der Kultur um den Kaffee per se. Dadurch kamen wir auch zum Kaffee: Dieses Zeremonielle, das Sich-Zeit-Nehmen, um einen Kaffee zu machen, hat uns sehr gefallen. Und wenn man dabei den richtigen Kaffee nimmt, schmeckt das natürlich richtig gut.

Martin und Moritz im äthiopischen Ilketunjo
Martin und Moritz im äthiopischen Ilketunjo
© Coffee Circle

Wie kann man sich eine äthiopische Kaffee-Kooperative vorstellen?

Martin: In den Kooperativen hat jeder Bauer sein kleines Stück Land, auf dem seine Hütte steht. Außenrum haben sie ihren Garten von vielleicht einem halben Hektar, in dem sie alles haben, was sie täglich essen: Gemüse, Bananen, vielleicht noch eine Kuh oder ein anderes Tier und eben Kaffee. Davon leben sie in der Regel. Und so schließt sich eine Hütte an die andere, jeweils mit dem eigenen Bereich zum Anbauen. Über viele Quadratkilometer schließen sie sich dann zusammen, bis zu 400 Bauern. Ihren Kaffee bringen sie dann zur Kaffeeaufbereitungsanlage, wo die Kaffeekirschen von der ersten Schale befreit werden. Unsere Kaffees sind prinzipiell alle biologisch produziert, ob zertifiziert oder nicht. Die natürliche Artenvielfalt bietet einen guten Schutz vor Seuchen, so dass man keine Pestizide braucht. Pestizide wären für die Bauern, mit denen wir zusammenarbeiten, ohnehin zu teuer.

Wie entscheidet ihr, wo eure Projekte durchgeführt werden?

Robert: Als wir zum ersten Mal zur Kaffeeauswahl in Äthiopien waren, hat eine Studienfreundin von mir, die inzwischen im Kaffeegeschäft arbeitet, den Kontakt zu einer Äthiopierin hergestellt, die Kaffeeverkostungen veranstaltet und uns eine Vorauswahl von passenden Kooperativen zusammenstellen konnte. Kooperativen, die sowohl guten Kaffee erzeugen als auch projektgeeignet sind. Projektgeeignet heißt, dass es quasi-demokratische, transparente Strukturen gibt. Wir wollen sicher gehen, dass das Geld direkt bei den Bauern ankommt. Außerdem muss akuter Bedarf da sein und es muss in die Bereiche Bildung und Gesundheit passen, da diese Bereiche das größte Potential im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Wir wollen auch nichts replizieren, wir werden also keinen neuen Brunnen bauen, wenn schon ein funktionsfähiger Brunnen da ist. Es muss einen konkreten Mehrwert geben. Das Projekt muss zudem von den Menschen vor Ort selbst instand gehalten werden können, um eine gewisse Nachhaltigkeit zu gewähren.

Martin: Außerdem macht es keinen Sinn, Dinge zu bauen, für die bei jedem Problem ein Ingenieur aus Deutschland anreisen muss. Wir wollen ja die lokale Wirtschaft stärken. Vielleicht wären amerikanische Schulbücher hochwertiger, aber man muss sich auch an den lokalen Lehrplan anpassen. Ein entscheidender Faktor ist, dass wir keine Abhängigkeit schaffen wollen. Wir können den Leuten eine Gesundheitsstation bauen, aber die Regierung vor Ort muss eine Krankenschwester abstellen. Denn wenn wir das machen würden, wäre das Projekt gescheitert, sobald ein Mal die monatliche Zahlung von uns ausbleibt. Außerdem muss die Zusammenarbeit mit der Regierung noch vertretbar sein. Auch wenn die meisten Kooperativen so arm sind, dass irgendwo Bedarf herrscht, wollen wir sicherstellen, dass vor allem die Bauern profitieren und nicht irgendeine lokale Instanz. Um sich da einen Überblick zu verschaffen, ist der Kontakt zu den Bauern selbst und den NGOs vor Ort sehr wichtig. Zum Beispiel werden wir in Sidamo keinen Brunnen bauen, weil die Regierung für dessen Nutzung Geld von den Bewohnern verlangen würde. Um die politische und religiöse Landschaft zu ändern, sind wir nicht da. Wir haben viele Freiheiten, Dinge umzusetzen, aber auch klare Grenzen.

Robert: Wir haben bisher alle unsere Projekte in Ilketunjo durchgeführt, wo unser Limu-Kaffee angebaut wird. Der Sidamo-Kaffee, den wir neu im Programm haben, kommt aus der Kooperative Kilenso Ressa. Hier werden die nächsten Projekte durchgeführt werden.

Röstung in Hamburg
Röstung in Hamburg
© Coffee Circle

Wo steht euer Modell gegenüber dem von Trans Fair zertifizierten Handel?

Martin: Die Trans Fair-Organisation zertifiziert Kaffees gegen eine Lizenzgebühr, aus deren Einnahmen sie festgelegte Prämien an die Bauern zahlt. Diese Organisation hat in den letzten 30 Jahren wirklich etwas bewegt und eine großartige Entwicklung angestoßen, ohne sie könnten wir unser Modell heute nicht so umsetzen, weil das Bewusstsein für fairen Handel nicht da wäre. Der direkte Handel ermöglicht uns, einen Euro pro Kilo an den Bauern weiterzugeben, wodurch bei unserem Modell 5-6 Mal mehr bei ihm ankommt. Unser Modell wurde schon mal als „Direct Trade“ bezeichnet, womit ich mich aber nicht komplett anfreunden kann, da hier nur der Einkaufsaspekt berücksichtigt wird und die Projektförderung nicht mit einbezogen ist.

Limu-Kaffee
Limu-Kaffee
© Coffee Circle

Welche Rolle spielt für euch die Transparenz?

Martin: Wir können genau nachvollziehen wo unser Kaffee herkommt, weil wir weder Zwischenhändler noch Kaffeebörsen im Prozess haben. Für den einen mag das wichtig sein, für den anderen nicht. Aber wir wissen genau, wo unser Geld hinfließt.

Robert: Anfangs war es noch schwierig, dem Verbraucher zu kommunizieren, was das Besondere bei unseren Kaffees ist. Das hat sich mit der Webseite verbessert. Aber gerade in Bezug auf unser neues Handelsmodell und die Nutzung des Internets sehen wir uns als Pioniere, weil mehr und mehr Leute dem Internet als Ort zum Einkaufen vertrauen und auch wissen, dass man über das Internet Transparenz von Unternehmen einfordern kann. Wir finden es sehr schön, dass die Leute sehen können, wo ihr Kaffee herkommt, wo die Unterschiede sind, wie er zubereitet wird und was mit den Erlösen passiert. Wir möchten Mitbestimmung ermöglichen, konkret sein und auch einen Rückkanal nach Äthiopien schaffen, um den Leuten dort zu zeigen, wie ihr Produkt den Kunden hier gefällt.

Martin: Wir finden, dass diese Mitbestimmung und die Transparenz unsere Marke zum Leben erwecken. Fernsehwerbespots reichen eben heute nicht mehr, weil die Leute sich im Netz austauschen und Informationen einholen können.

Vielen Dank für das Interview!

Mehr Informationen zum Kaffee und den Projekten sowie Bestellmöglichkeiten von äthiopischem Kaffee finden Sie auf der Homepage von Coffee Circle.

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