Das Problem: Die Fischpopulation schrumpft weiter

Aquakultur ist nicht immer die lösung: Die weltweiten Fischbestände gehen immer noch zurück — trotz Fangquoten, trotz Aquakultur. Besonders schlimm sieht es bei uns vor der Haustür aus. Das Bundesamt für Naturschutz schätzt, dass ein Drittel der Meeresbewohner in der Nord- und Ostsee gefährdet sind. Dabei sollte 2020 eine Wende markieren: In diesem Jahr hätten die Meere laut einem Abkommen der EU-Länder von 2008 einen „guten Umweltzustand“ erreichen sollen. Viele Gründe, warum es nicht so ist, liegen auf der Hand: Weil Fisch ein gesundes Lebensmittel ist, steigt der Konsum, die Fangquoten sind immer noch zu hoch, die Erwärmung der Meere durch den Klimawandel führt zum Aussterben bestimmter Arten. Aquakultur schien lange eine Lösung des Problems zu sein — mittlerweile wird sie zum größten Teil wie Massentierhaltung betrieben. Da tauchen ähnliche Probleme auf wie in der industriellen Tiermast. Umweltschützer kritisieren die Zerstörung natürlicher Lebensräume, die Wasserverschmutzung durch Fischkot und Überdüngung des Meeresbodens.
Lösung 1: Aquaponik
Treibhaus-Barsch: Die Idee ist so einfach wie bestechend: In einem großen Gewächshaus in der Stadt gedeihen Pflanzen und Fische in einem Kreislauf. Dabei wachsen Gemüse und Kräuter nicht auf Erde, sondern in Steinwolle und Nährlösung, diese wird von den Fischen in Becken oder Tanks geliefert. Mikroorganismen wandeln deren Ausscheidungen in den Dünger Nitrat um, dazu kommt noch weiterer Bio-Dünger. Das Verfahren nennt sich Aquaponik, eine Wortschöpfung aus Aquakultur und Hydroponik, der Zucht von Pflanzen ohne Erde. Lange galt Aquaponik als Zukunftsvision, als die ideale Lösung für den weltweit wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln. Zudem ist diese Form der Landwirtschaft nachhaltig und umweltfreundlich. Denn in den Städten lässt sich Abwärme für die Beheizung der Fischbecken nutzen, und die Produktion findet nahe dem Konsumenten statt. Mit diesem ressourcensparenden Verfahren kann man natürliche Fischbestände schonen, Düngemittel einsparen, den Wasserverbrauch reduzieren und die Abwasserbelastung senken. Letzteres ist insbesondere ein Problem bei Aquakultur-Anlagen. Dass die Produkte der Aquaponik auch schmecken, davon können sich die Berliner überzeugen: In der Hauptstadt haben sich gleich zwei Aquaponik-Betriebe etabliert. Im Schöneberger Gewächshaus der „ECF-Farm“ gedeihen Basilikum und Buntbarsche, die in Supermärkten als „Hauptstadtbasilikum“ und „Hauptstadtbarsch“ vermarktet werden. www.ecf-farm.de
Lösung 2: Aquaterraponik
Fisch düngt Salat: Wo im Bezirk Lichtenfeld früher in Gewächshäusern Schnittblumen wuchsen, hat „Stadtfarm“ das Prinzip Aquaponik weitergedacht. Bei der Aquaterraponik- Anlage wachsen Gemüse und Kräuter statt auf Steinwolle und Nährstofflösung in Erde (Terra). Das Abwasser der Fische — bei „Stadtfarm“ sind es afrikanische Raubwelse — fließt zunächst durch Becken mit Erde, wo Regenwürmer Humus daraus machen, der auf die Felder kommt. Was an Wasser übrig bleibt, wird wie bei der Aquaponik von Bakterien zu Dünger umgewandelt, der hier Tomaten, Paprika, Chili, Salate und Kräuter versorgt — ein Teil davon kann im Onlineshop bestellt werden. www.stadtfarm.de