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Sarah Wiener im Interview

Das Essen unserer Kindheit prägt unseren Geschmack, unsere kulinarischen Vorlieben und Lieblingsspeisen. Aufgewachsen in Wien hat Sarah Wiener für ihr neues sehr persönliches Kochbuch "Herdhelden" regionale österreichische Gerichte wieder entdeckt. Im Rahmen der Präsentation von "Herdhelden" sprachen wir mit Sarah Wiener übers Kochen und über Lieblingsspeisen.

Eine Kolumne, die TV-Reihe der kulinarischen Abenteuer, Kochevents, drei Restaurants, eine Stiftung und jetzt "Herdhelden" - haben Sie noch Lust zu kochen?

Sarah Wiener: Ja. Ich liebe Kochen. Natürlich habe ich mehr Lust zu kochen, wenn ich Zeit habe. Aber selbst in einer halbe Stunde etwas für die Familie zu kochen ist toll. Das mache ich immer, wenn ich zu Hause bin. Ich gehe auch gern essen, aber ich koche lieber und öfters zu Hause, als dass ich weggehe. Das ist viel spannender, schöner und intimer. Ein Essen zuhause ermöglicht mehr Vertrauen, Liebe und Aufmerksamkeit

Sarah Wiener
Sarah Wiener
© privat

Entdecken Sie noch neue Gerichte oder unbekannte Lebensmittel beim Kochen?

Ständig. Ich bin jemand, der sehr schlecht immer das Gleiche machen kann. Ich bin zu ungeduldig, ein bisserl’ schlampig und faul. Man muss mich immer ein wenig neugierig machen, deswegen ist Kochen ideal: Es geht relativ schnell und du lernst nie aus. Du entdeckst dabei Dinge, von denen du keine Ahnung hattest, du siehst Produkte, von denen du nicht mal wusstest, dass sie bei dir um die Ecke existieren.Du lernst etwas über ein Kraut, über Fleisch, über Brot, über Salz... Wie mit den Lebensmitteln ist es auch beim Kochen. Du fährst nach Afrika, siehst eine Frau Teig auf eine spezielle Art schlagen, dann gehst du in die Alm, wo es ganz anders aussieht und Bäcker machen es noch mal ganz anders. Dass eine so simple Tätigkeit wie Teigkneten 100 verschiedene Spielarten hat, gefällt mir.

Was hat Sie auf Ihrer Österreich Tour am meisten beeindruckt?

Österreich war toll, da ich so unterschiedliche regionale Küchen entdeckt habe - und es ist einfach ein schönes Land. Die Vielfältigkeit der authentischen verschiedenen Ausdrucksformen, die es nicht nur im Essen zeigt, sondern auch darin, wie man wohnt, was man an hat. Zum Beispiel das Dirndl, das die Almbäuerin trägt - täglich.

Gibt es ein österreichisches Gericht, das ihrer Meinung nach überbewertet ist?

Klar, wenn man sich überlegt, welche Speisen berühmt geworden sind, ist es natürlich schon so, dass es vor allem einfache und übersichtliche, leicht nachzukochende Speisen sind. Sonst könnten sie sich ja nicht bei der breiten Masse durchsetzten. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass der kleinste Nenner zum besten Gericht führt. Viele Speisen sterben leider den Qualitätstod, da sie durch die Quantität so auseinander laufen. Wie Balsamico-Essig, Mozzarella. Das waren mal köstliche Produkte, die durch die Massenproduktion ihre Qualität eingebüßt haben. Und im Zweifelsfall wissen wir es nicht besser, da wir es nie anders gegessen haben. Und so ist es auch beim Wiener Schnitzel. Was man in Europa als Wiener Schnitzel angedreht bekommt, ist zum Weinen für eine Wienerin. Ein richtiges Wiener Schnitzel zu machen ist relativ komplex: Du brauchst das richtige Fleisch, die richtige Dicke, das richtige Fett, die richtige Temperatur, du brauchst ein Gefühl für diesen Prozess. Und das bekommst du erst, wenn du eine Menge Wiener Schnitzel zubereitet hast. Kochen ist letztlich auch ein Handwerk.

Gibt es ein Essen, das Sie mit Glück verbinden?

Ganz viele. Zum einen bin ich wirklich glücklich, wenn ich hungrig bin und ich mach’ mir was, das gut duftet, wie zum Beispiel frisches Gemüse, dass ich in die Pfanne werfe, mit Huhn- oder Rindfleischstreifen, die ich in geröstetem Sesam wende und dazu eine Handvoll frische Petersilie – das ist Glück.

Aber eines meiner Lieblingsessen im Winter ist eine Hühnersuppe – mit Biohuhn. Ein herrliches Essen, das die Nerven stärkt. Am besten das Huhn so lange auskochen, bis es zerfällt, dann ist die Suppe einfach herrlich. Alles an Gemüse, was ich will, von Brennnessel über Kohlrabi und jede Menge frischer Kräuter kommen in den Topf. Dazu kommen zerstoßener Sesam und Meersalz.

Was mich außerdem glücklich macht, ist Cremeschnitte. Vor allem die von Ilse Gutmann, die auch im Kochbuch steht, ist phantastisch. Da muss ich mich echt beherrschen um nicht alle aufzuessen.

In „Herdhelden“ gibt es einen Küchendolmetscher Österreichisch-Deutsch. Welchen österreichischen Ausdruck sollten sich deutsche Leser merken?

Wichtig ist zum Beispiel „Kren“, was Meerrettich bedeutet. Hilfreich wäre auch „Paradeiser“ für Tomaten und natürlich sollte man wissen, dass „Palatschinken“ nichts mit Schinken zu tun hat.

Ihr Lieblingsrezept, wenn's schnell gehen muss? Fast Food à la Sarah Wiener?

Wenn man keine Zeit hat, kauft man sich ein gutes Bauernbrot, Schinken oder Käse, den man mag, Radieschen oder anderes Gemüse. Ich mag eben sehr gern Gemüse, entweder ganz vegetarisch oder mit etwas Fleisch, schnelle Pasta... Einfach alles in die Pfanne oder den Wok geben und fertig.

Gibt es Speisen, die Sie nicht essen?

Ich würde nichts essen, wofür Tiere gequält werden. Außerdem bin ich kein Freund von Austern oder Muscheln. Ich esse nicht gerne Vögel, die sich von Aas ernähren, wie auch keine Innereien. Wenn ich eingeladen bin, würde ich es schon essen, aber mir nie bestellen oder zubereiten.

Als Kind waren Sie Vegetarierin, wann und wieso kam wieder Fleisch auf den Teller?

Das kam sehr schrittweise. Ich hatte einfach irgendwann einen Jieper drauf, ich wollte in einen gekochten Schinken reinbeißen und in ein Würstchen - und dann habe ich's skrupellos gemacht. Ich esse noch immer sehr wenig Fleisch. Es wird uns auch gar nichts anderes übrig bleiben, als dass wir alle viel weniger Fleisch essen. Das ist notwendig für eine gerechtere und sauberere Umwelt.

„Herdhelden“ ist aus recyceltem Papier hergestellt, kommt ohne Plastikfolie auf den Markt - was bedeutet Nachhaltigkeit, nicht nur bei Lebensmitteln, für Sie?

Ich würde mir mehr Bewusstsein bei den Menschen wünschen. Das betrifft aber nicht nur das Essen. Ich bin dafür, dass jeder wieder mit seiner eigenen Stofftasche einkaufen geht, die unzähligen „Plastiksackerl“, die wir beim Einkaufen benutzen, brauchen 500 Jahre bis sie verrotten. Wir sind alle zu beschäftigt und gehen zu nachlässig mit Rohstoffen um. Gerade die kleinen Dinge sind es aber, die ein Umdenken möglich machen. In meinen Berliner Restaurants nutzen wir Elektroautos und Firmenfahrräder. Das ist genauso wichtig, wie sich zu bemühen, regional und bio einzukaufen. Der momentane Weg der Lebensmittelindustrie führt in eine Sackgasse.

Drei Restaurants in Berlin gibt es bereits. Planen Sie eins in Hamburg?

Nein, ich plane nicht. Aber ich wäre nicht abgeneigt. Das muss mir allerdings zugeflogen kommen. Ein Ort, der so toll ist, dass ich sage: „Gut, ich mache mir jetzt noch einmal diese Mühe....“ . Aber eigentlich ist Hamburg mein Rückzugsgebiet, ich genieße Hamburg in vollen Zügen. Wenn ich hier ein Restaurant hätte, wäre es mit der Ruhe vorbei.

Haben Sie ein Lieblingsrestaurant in Hamburg?

Ich mag den Laden von Tim Mälzer, aber am wichtigsten ist mir, dass jemand frisch kocht. Das finde ich gut, auch wenn das Ergebnis vielleicht mal nicht so toll ist. Aber da ich weiß, was es heißt, ich die Mühe kenne, wirklich frische Zutaten zu kaufen und eine abwechslungsreiche Speisekarte anzubieten, schätze ich ebendies. Kleine Läden mit wenigen, frischen Gerichten, da gehe ich dann gerne hin.

Frau Wiener, vielen Dank für das Gespräch.