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Unterwegs in Madrid

Seit 2004 geht Foodscout Miguel Martín Tártalo für deutsche Spitzenköche in Spanien auf Entdeckertour. Diesmal nahm er »e&t«-Koch Marcel Stut mit. Eine inspirierende Reise zu Entenmuscheln und unfassbar gutem Ibérico-Schinken.

Eine Institution: das "Casa Lucio"

Restaurant Casa Lucio
Miguel Martín Tártalo (links) und »e&t«-Koch Marcel Stut (mitte) in der "Casa Lucio"
© Gunnar Knechtel

Lucio Blázquez war zwölf, als sein Vater ihn mitnahm nach Madrid – in ein Lokal im Viertel La Latina, das fortan sein Leben bestimmen sollte. Und heute seinen Namen trägt: "Casa Lucio" - eine Institution, seit mehr als 40 Jahren, mit klarem Anspruch: Lucio bietet immer etwas, das nicht jeden Tag zu haben ist: Angulas etwa, Baby-Aale in Chiliöl, oder Cocochas, Seehechtbäckchen - frittiert, gegrillt, mit grüner Sauce. Geschmorter Ochsenschwanz, wie sie ihn in Córdoba machen. Churrasco vom galicischen Kalb. Und Lucio pflegt die Klassiker: Seine Fabada, asturischer Eintopf mit dicken weißen Bohnen, Pancetta, Blutwurst, Chorizo und galicischen Kartoffeln, gart noch immer auf Gusseisen über Holz. Die Spezialität des Hauses aber sind die Huevos estrellados: zerzupfte Spiegeleier mit Pommes-frites-Bett - von livrierten Kellnern in Weiß, mit Krawatte, auf Porzellan gereicht. Die Eier stammen von eigenen frei laufenden Hühnern, und König Juan Carlos, so hört man, komme ab und zu auf eine Portion Pommes-Eier vorbei. Lucio nimmt's, wie es kommt. Dass sein Lokal auch bei Werbern, Film- und Modeleuten bekannt ist - er zuckt mit den Achseln. Gast bleibt Gast, selbst wenn der König gerade Kunde ist.

Muscheln pur: Restaurant "La Castañal"

Sind wir schon da oder ist das hier das Lager? Wir suchen das Restaurant "La Castañal", stehen mitten im Wohngebiet, und nach Kastanien sieht es hier nicht aus. Aber wir sind genau richtig. Das "La Castañal" ist ein unprätentiöses kleines Lokal im Tetuán-Distrikt, Schwerpunkt: galicische Küche. Ausgerechnet hier soll es die besten Meeresfrüchte der Stadt geben? Gut 600 Kilometer von der galicischen Küste entfernt? Ist Alfonso, der Chef, der 1961 herkam, um sein Glück zu machen, ein Aufschneider? Ist er nicht. Er lässt Entenmuscheln (Percebes) bringen, die aussehen wie groteske Echsenfüße. Baby-size-Jakobsmuscheln. Schwert- und Schneckenmuscheln, knallrote Carabinero-Garnelen. Es hörte überhaupt nicht auf. Wir haben alles gekostet. Nur etwas Olivenöl, Salz und Pfeffer dazu. Fantastisch. Wer die Schätze des Meeres unverfälscht kennenlernen möchte – hier kann man es. Pur. Womit nichts gegen Alfonsos Venusmuscheln in Sherry, mit Knoblauch und Olivenöl gesagt sei. Oder die gefüllten Miesmuscheln. „Fisch, Meeresfrüchte, Fleisch“ hat Alfonso Ramos seinem "Castañal" als Spezialitäten auf die Fahnen geschrieben. Ganz unbescheiden, auf der Visitenkarte nachzulesen. Kastanienhaine werden völlig überbewertet.

Zwei besondere Restaurants: Malacatín und Álbora

Restaurant "Malacatín"
Miguel und Marcel vor dem Restaurant Malacatín
© Gunnar Knechtel

Das "Malacatín" ist eines dieser Restaurants, für das man Madrid lieben muss: traditionsverhaftet, in einem Haus mit über hundertjähriger Geschichte und Kellnern, die ihr ganzes stolzes Berufsleben lang dort arbeiten. Hierher pilgern die Aficionados der gradlinigen madrilenischen Traditionsküche. Denn hier finden sie Cocido, "den Eintopf". Zwölf Zutaten sind drin: Peperoni, Kichererbsen, Kohl, Kartoffeln, Tomaten, Speck, Chorizo aus Leon, Zwiebelblutwurst aus Asturien, Schinken, Huhn, Kalbsblutwurst und Eisbein. Separat zubereitet, in drei Gängen serviert: zuerst die Basis, eine nahrhafte Nudelsuppe. Es folgen die Teller mit der Gemüseeinlage. Zum Schluss das Fleisch. Warum separat? Der Legende nach aus Angst vor den genusssüchtigen Franzosen. Die belagerten im 19. Jahrhundert die Stadt und deren Kochtöpfe - da wollte gutes Fleisch gut versteckt sein.

Carlos lächelt verständnisvoll, wenn er die Geschichte hört. Er ist Kellner im Restaurant "Álbora", einer der ersten Adressen für Fleisch und Schinken vom Ibérico-Schwein. Unten in der Highend-Tapas-Zone wird es luftgetrocknet als Jahrgangsschinken auf Etageren gereicht (Ferran Adrià entwickelt Rezepte dazu fürs "Álbora"). Oben im Restaurant wird das kostbare Fleisch frisch von der Lende zubereitet und steht als "Cabezada ibérica guisada" neben gegrillter Seegurke oder Merluza mit grüner Sauce und Trüffeln auf der Karte. Ambitioniert.

Süsse Sachen: Casa Mira & Pastelería del Pozo

Turrón gefällig? Das weiße Nougat mit ganzen Mandeln kauft man in Madrid bei "Casa Mira". Und das geht so: Bestellung nach Augenmaß bei der Dame hinter der Theke aufgeben. Die portioniert, mit ernster Miene, wiegt ab, packt ein, reicht weiter - zur Dame an der Kasse. Wer dort feststellt: Huch, ist ja zu wenig!, muss zurück zur strengen Thekendame. Selbstbedienung? Nix da. Alte Schule, seit 1855. Das Turrón schmeckt jedenfalls ausgezeichnet - und die Torta imperiale, geröstete Mandeln, Honig, Eiweiß und Zucker zwischen Reispapier, wie dieses süße Gift nun mal schmecken muss: nussig, bissig, zum Zähneziehen großartig. Außerdem locken regalweise Marzipan, Buttergebäck, kandierte Früchte...

Der beste Blätterteig der Stadt allerdings wird andernorts gebacken, in der "Antigua Pastelería del Pozo". Die schöne alte Konditorei füllt die luftig-leichten Päckchen mit Sahne und Engelshaar und verführt mit gezuckerten Eigelbkugeln und gebratener Milch zu süßen Exzessen. Eine weitere Spezialität des Hauses sind die Roscónes, Festtagskränze aus Hefeteig, die traditionell zum Dreikönigstag verputzt werden. Auch nicht unbedingt was für Kaloriensparer.

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