Herr Riffel, bitte beschreiben Sie die südafrikanische Küche für uns, aus Ihrer Sicht.
In den letzten Jahren hatten wir fast so etwas wie eine Identitätskrise. Inzwischen riskieren besonders die jungen Köche mehr, probieren neue Techniken und internationale Einflüsse aus, zum Beispiel spanische. Da wächst und entwickelt sich Einiges. Wir entfernen uns von den traditionellen Gerichten, die noch aus der Zeit stammen, als die Niederländer nach Südafrika kamen. Heute verwenden wir typische Aromen, statt uns auf bestimmte Gerichte festzulegen. Man kann sagen, dass sich ein neuer Stil in der südafrikanischen Küche entwickelt.
Hat die Globalisierung zu dieser neuen südafrikanischen Küche beigetragen?
Ja, sicher. Die Köche reisen mehr. Das Internet mit seinen Blogs und Twitter verändert vieles. Dadurch wissen wir heute, wie die Köche auf der ganzen Welt arbeiten, ohne unbedingt selbst reisen zu müssen. Aber viele südafrikanische Köche reisen trotzdem. Außerdem kommen zahlreiche internationale Köche nach Südafrika und beeinflussen uns.
Was unterscheidet die südafrikanische Küche von anderen Länderküchen?
Viele Gäste, besonders die europäischen, mögen die schweren, traditionellen Gerichte nicht. Aber wenn man beispielsweise Springbock oder Strauß auf eine leichte, eher "europäische" Weise zubereitet, kommt das gut an. Die Köche gehen immer mehr auf diese Wünsche ein, kreieren aber trotzdem Gerichte, die typisch südafrikanisch sind.
Welche südafrikanischen Produkte und Zutaten sind Ihre Favoriten?
Da gibt es einige. Ich mag Wildfleisch, beispielsweise Springbock und vor allem auch Biltong, getrocknetes Wildfleisch: Das schmeckt wirklich fantastisch. Besonders gern koche ich außerdem mit frischem Trüffel aus der Kalahari (ein mit dem europäischen Trüffel verwandter Pilz, Anmerkung der Redaktion). Der so genannte Kalahari-Trüffel ist eine der interessantesten Sachen, die es gibt, aber man bekommt ihn nur einmal im Jahr. Er unterscheidet sich stark vom italienischen oder französischen Trüffel. Sein Geschmack erinnert an schwarzen Trüffel, aber in Aussehen und Textur ist er mehr mit weißem Trüffel vergleichbar. Kalahari-Trüffel ist äußerst delikat und schmeckt erdiger als der Trüffel, den Sie in Europa kennen. Man findet ihn im Kalaharisand, in den roten Dünen. Er wird "N'abbas" genannt und auch von den Buschmännern gegessen.
Für welche Gerichte verwenden Sie N'abbas?
N'abbas schmeckt sehr gut zu Huhn, langsam in einer Kasserolle gegart und zu Gerichten mit cremiger Konsistenz. Wir machen zum Beispiel gewürztes Maispüree mit ein bisschen Sahne und Ziegenkäse, dazu dann N'abbas. Ich habe ihn auch schon in dünnen Pancetta gewickelt und im Ofen in einer Käsesauce zubereitet. Wir probieren immer wieder Neues damit aus.
Wie beeinflussen die ethnischen Gemeinschaften, beispielsweise die unterschiedlichen Stämme, die südafrikanische Küche?
Nun, das ist ein sehr aufregendes Thema. Wir sollten uns definitiv mehr damit beschäftigen. Es gibt den malayischen Einfluss, aber kaum ursprünglich südafrikanische Einflüsse. Eine Ausnahme ist Pap, ein Maisbrei, der weiter nördlich in Südafrika gegessen wird. Der Einfluss der einzelnen Stämme ist begrenzt und nur wenige Köche entstammen dieser Bevölkerungsgruppe. Wir können also keine Fusion-Küche aus allen Kulturen erwarten, aber es gibt Gerichte, die sich über die Jahre etabliert haben. Zurzeit sieht man beispielsweise viele neue Straßen-Restaurants, die Schafsköpfe, so genannte Smileys, anbieten. Das Essen der ethnischen Gemeinschaften wird die südafrikanische Küche als Ganzes auf jeden Fall immer mehr beeinflussen.
Gibt es ein südafrikanisches Nationalgericht?
Die Südafrikaner grillen sehr gern. Die gegrillten Speisen und auch das Grill-Event selbst werden bei uns Braai genannt. Ein charakteristisch südafrikanisches Gericht ist Bobotie, ein Hackfleischauflauf, der mit malayischen Gewürzen zubereitet wird. Und Puddings sind typisch südafrikanisch. Es gibt also einige charakteristische Gerichte, aber nicht das eine Nationalgericht.
Südafrikas Küstenlinie ist sehr lang, wie verbreitet sind Fisch und Meeresfrüchte?
Die südafrikanischen Fische gehören zu den besten. Beliebt sind Fisch-Currys und Pickled Fish, Gerichte, die den malayischen Einfluss widerspiegeln. Kingklip und Karpfen sind bekannt. Ein ganz toller Fisch ist Galjoen. Aber leider ist er durch Überfischung bedroht. Deswegen bieten wir ihn nicht an. Meeresfrüchte und Krustentiere haben wir vor allem an der Westcoast, wo es Abalone, Krebse und Hummer gibt. Muscheln sind weniger verbreitet.
Wie würden Sie ihren persönlichen Kochstil beschreiben?
Ich lasse mich von der Küche meiner Kindheit beeinflussen und kombiniere sie mit dem, was ich über Jahre von südafrikanischen und internationalen Köchen gelernt habe. Ich nehme ein bisschen was von allem. Mir ist es wichtig, dass die Zutaten frisch und einzigartig sind. Europäische Köche kochen oft sehr subtil, meine Küche ist kantiger, direkter und überbordend mit Aromen.
Sie haben Ihre Kindheit erwähnt. An welche kulinarischen Besonderheiten aus Ihrer Kindheit können Sie sich besonders gut erinnern?
Ich hatte das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, die etwas Land besaß. Dort haben wir Gemüse angebaut und Schweine, Ziegen und Hühner gehalten. Von diesem Land haben wir gegessen. Meine Großmutter hat immer Brot gebacken. Wenn ein Schwein geschlachtet wurde, kamen alle Familien aus der Nachbarschaft zusammen. Dann machte meine Mutter Sülze. Dafür legte sie Schweineklauen und -ohren in etwas Ähnlichem wie Aspik ein und würzte das Ganze mit süßen Currymischungen, etwas Zucker, Kurkuma, Chili, Garam Masala und weißem Pfeffer.
Menschen zusammenzubringen, ist das ein Ziel, das Sie mit Ihrer Arbeit als Koch erreichen wollen?
Glücklicherweise treffe ich in meinem Leben viele Leute. Wenn wir uns dann an einen Tisch setzen und übers Essen reden, verbindet das mehr als ein Gespräch über Politik. Das Zusammensein und das gemeinsame Genießen ist meiner Meinung nach sehr förderlich für die Stabilität einer Gesellschaft. Es ist spannend mit den Leuten darüber zu sprechen, wie sie aufgewachsen sind und was ihre Großmütter und Mütter damals gekocht haben. Es ist ein universelles Thema und ich hoffe, dass ich meinen Beitrag zu diesem Zusammensein leisten kann.
Was ist Ihnen an Ihrer Arbeit das Wichtigste, was möchten Sie erreichen?
Eigentlich geht es darum, Menschen glücklich zu machen und darum, dass sie wiederkommen. Außerdem will ich junge Menschen erreichen, damit Sie erkennen, dass sie das, was ich tue, auch erreichen können. Sie sollen sehen, wie viel Spaß dieser Beruf machen kann. Zu kochen und zu servieren ist, wie jemandem ein Geschenk zu machen. Man stellt nicht bloß ein Endprodukt her, sondern gibt den Gästen einen Teil von sich. Inzwischen verstehen das immer mehr junge Menschen, die Köche werden wollen, und ich treffe immer mehr von ihnen.
Was kochen Sie, wenn Familie und Freunde zusammen kommen?
Das ändert sich regelmäßig. Wir verwenden lokale Produkte der Saison und essen gern viel Fleisch. Grillen ist beliebt und ich mag besonders Fisch-Grill, Fish Braai. Dafür eignet sich Snoek (Hechtmakrele, Anm. der Red.), den wir in süßen Fisch-Marinaden aus afrikanischen Marmeladen, Sojasauce und Fischsauce zubereiten. Im Alltag werden Boerewors (Afrikaans für Bauernwurst - eine aufgerollte Bratwurst, die meist gegrillt wird, Anm. der Red.) und Bobotie oft gegessen. Im Winter hingegen schmoren wir Südafrikaner gern, zum Beispiel Ochsenbraten in Rotweinsauce.
Was können Sie uns über südafrikanisches Wildfleisch erzählen?
Wildfleisch ist in Südafrika absolut nichts Alltägliches. Regelmäßig gegessen wird das getrocknete Biltong, das auch aus Wild gemacht wird. In der Karoo wird Springbock gejagt, er ist nur in der Jagdsaison erhältlich. Einfach im Laden kaufen kann man ihn allerdings auch dann nicht. Einzig Strauß gibt es im Supermarkt, aber der ist sehr teuer.
Sie haben drei Restaurants, eines in Franschhoek, eines in Robertson und eines in Kapstadt. Inwiefern unterscheiden sie sich?
Das Reuben's at the Robertson hat 25 Sitzplätze und befindet sich in einem Boutique-Hotel. Die Gäste essen in einem intimen Rahmen und wir kochen hauptsächlich mit saisonalen Produkten aus der Region. Dort gibt es viele Farmen, die hochwertiges Fleisch und Gemüse produzieren. Das Restaurant Reuben's in Kapstadt ist in einem großen Hotel, dem One & Only, untergebracht. Wir bieten dort etwas extravaganteres Essen an. Auf der Karte stehen mehr Gerichte mit Meeresfrüchten und Fisch und einige wenige Fleischgerichte. Auch typisch südafrikanische Gerichte werden angeboten. Die Karte im One & Only wechselt seltener als im Reuben's in Franschhoek, wo wir jeden Tag die Karte nach den Produkten ausrichten, die gerade erhältlich sind.
Welche Ihrer Kreationen ist Ihr persönliches Lieblingsgericht?
Ich bevorzuge intensive Aromen. Wir haben ein Gericht auf der Karte, das über alle Aromen verfügt, die ich mag. Es ist Tintenfisch, den wir mit Salz und Chili zubereiten, mit einem Salat aus Minze, Basilikum, Koriander und Sprossen sowie einer sehr zitronigen Mayonnaise. Das ist eines meiner Lieblingsgerichte, das ich zum Mittag- und zum Abendessen empfehlen kann. Außerdem machen wir Schweinebauch mit Ingwer, verschiedenen Saucen und Romanesco. Ein Gericht, das ich oft und gern esse.
Gibt es typisch südafrikanische Desserts?
Wir Südafrikaner lieben Eiercreme, weswegen wir sie beispielsweise für Zitronentartes oder ähnliches verwenden. Ein sehr traditionelles Dessert, das verschiedene Aromen vereint, ist Hertzoggie. Ein kleiner Kuchen mit Eier-Aprikosenmarmeladen-Füllung, der nach einem Minister benannt wurde. Ein weiterer Name für den Kuchen bedeutet "Zwei Gesichter": Die eine Hälfte der Oberfläche ist dunkel, die andere hell. Besagter Minister soll der farbigen Bevölkerung am Kap einmal ein Versprechen gegeben und es nicht eingehalten haben. Daraufhin gaben die Menschen dem Törtchen seinen zweiten Namen.
Südafrika ist ein berühmtes Weinland. Haben Sie eine Weinempfehlung für unsere Leser?
Es gibt unzählige Weine in Südafrika. Ich empfehle natürlich unsere guten Weine aus Franschhoek. Ein Wein, den ich sehr mag, ist die Bordeaux Cuvée, vom Weingut Boekenhoutskloof von Marc Kent.
Was macht Pinotage, die typisch südafrikanische Rebsorte, so speziell?
Pinotage wird in in Südafrika sehr kontrovers diskutiert. Ich mag Pinotage und inzwischen ist er auch zu einem Easy-drinking-Wine geworden. Die jungen Winemaker machen einen erstaunlich guten Pinotage, was sehr schwierig ist. Außerdem gibt es einige wenige Spitzenweingüter, die Pinotage keltern. Wir benutzen ihn auch zum Kochen. Ich mache beispielsweise eine Sauce zu Straußenfleisch aus Pinotage. Seit Neuestem gibt es einen Pinotage, der fast wie Kaffee schmeckt. Um dies zu erreichen werden die Holzfässer, in denen der Wein lagert, leicht geröstet. Vor allem bei den jüngeren Weintrinkern macht dieser Pinotage Furore.
In welcher Weise spiegelt die Südafrikanische Küche den südafrikanischen "Spirit" wider?
Sie drückt auf jeden Fall die Großzügigkeit Südafrikas aus, und das nicht erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft im letzten Jahr. Zum südafrikanischen Spirit gehört Großzügigkeit, aber auch eine große Offenheit. Das sieht man zum Beispiel in den so genannten informellen Siedlungen (große Gebiete mit unbefestigten Unterkünften ohne Verwaltungsstrukturen, Anm. der Red.). Diese Siedlungen sind eigentlich Gegenden, die lange von weißen Menschen gemieden wurden. Als ich das letzte Mal in einem solchen Gebiet war, habe ich aber mehr weiße als schwarze Menschen gesehen. In diesen Vierteln können Menschen die Offenheit Südafrikas erleben. Genauso möchten wir Köche Südafrika repräsentieren, wenn wir südafrikanische Gerichte zubereiten.
Welche Sehenswürdigkeiten darf ich mir als Besucher in Südafrika auf keinen Fall entgehen lassen?
Den Aussichtspunkt Chapman’s Peak sollten Sie an einem schönen Tag unbedingt besuchen. Außerdem mag ich das Westcoast-Gebiet, weil es da viele Fischerdörfer gibt. Und die Gegend um Robertson mit ihren vielen Farmen ist sehr schön.
Sie haben einige Zeit in England gelebt und gearbeitet. Welchen internationalen Spitzenkoch würden Sie als Vorbild bezeichnen?
Ich mag Heston Blumenthal sehr gern, da er Dinge ins Rollen gebracht hat. Spannend finde ich auch, was die australischen Köche machen, da mich der dortige Kochstil und die asiatischen Einflüsse interessieren. Ich verfolge beispielsweise sehr genau, wie der australische Koch Neil Perry seine Arbeit entwickelt.
Was denken Sie über die Deutsche Küche, vor allem über die gehobene Deutsche Küche?
Ich habe über die Jahre einige deutsche Köche getroffen, sie leisten fantastische Arbeit. So wie ich es sehe, gibt es einen großen Wandel und sehr viel Innovation. Aber ich mag auch, was ich von der traditionellen Deutschen Küche kennengelernt habe. Bis jetzt war ich leider noch nie in Deutschland und freue mich, dass ich im Herbst auf der Messe eat&STYLE sein werde.
Wie wird sich die südafrikanische Foodszene in den nächsten Jahren entwickeln?
Generell kann man für Afrika sagen, dass sich die Dinge immerzu verändern. Inzwischen arbeiten auf der ganzen Welt südafrikanische Köche. Viele von ihnen kommen wieder nach Hause. Aber wir kopieren keine anderen Küchen. Vielmehr hoffen wir, dass die Leute, die nach Südafrika kommen, etwas Einzigartiges vorfinden. Deswegen schöpfen wir all unsere Zutaten und Kochstile aus. In den nächsten Jahren wird sich Vieles in dramatischer Weise verändern.
Herr Riffel, vielen Dank für das Gespräch.
Steckbrief: Reuben Riffel
Reuben Riffel wurde in Franschhoek in der Provinz Westkap geboren, wo er auch zum Koch ausgebildet wurde. Als Teenager war Reuben wenig begeistert von der Aussicht, auch am Wochenende arbeiten zu müssen. Die kreative Seite seines Beruf gefiel ihm jedoch immer mehr. Schließlich machte er seinen Arbeitsplatz, das Restaurant Monneaux in Franschhoek, zu einer der besten gastronomischen Adressen Südafrikas. Nachdem er kulinarische Erfahrungen in England gesammelt hatte, kehrte er 2004 nach Franschhoek zurück und eröffnete mit dem Reuben's sein eigenes Restaurant. Inzwischen betreibt Reuben Riffel mit dem Reuben's in Robertson und dem Reuben's im Hotel One & Only in Kapstadt zwei weitere Spitzenrestaurants in Südafrika. Bekannt geworden ist der 36-Jährige in seiner Heimat zudem als TV-Koch und Kochbuchautor. Seine Restaurants landen regelmäßig in den südafrikanischen Restaurant-Hitlisten.
Wer Reuben Riffel persönlich treffen möchte, sollte die eat&STYLE vom 4. bis zum 6. Novermber in Köln nicht verpassen. Dort wird der Starkoch in seiner Kochshow seine Gerichte präsentieren.