Lage und geographische Bedingungen
950 km südwestlich vor Portugal, mitten im Atlantik, liegt die Insel Madeira, die ihre diversen klangvollen Namen, wie Perle des Atlantiks oder Insel des ewigen Frühlings, ihrem ganzjährigen milden Klima verdankt. Neben den angenehmen Temperaturen ist die Insel vor allem für ihren Likörwein, den Madeirawein, berühmt. Spezielle Verfahren der Weinbereitung, wie Alkoholanreicherung und Wärmebehandlung verleihen dem Madeirawein seinen milden aromatischen Geschmack.

Der Weinanbau auf Madeira beschränkt sich auf 400 ha Rebfläche, die sich hauptsächlich entlang der Küste erstreckt. Hier finden sich kleine Parzellen, die sich über die gesamte Insel verteilen und von vielen kleinen Weinbauern bewirtschaftet werden. Aufgrund des starken Gefälles der Flächen, auf denen die Reben angebaut werden, und der traditionellen Reberziehungsmethode, der Pergola oder Latada, ist eine mechanische Bewirtschaftung nahezu unmöglich. So erfolgt vom Weinanbau bis über die Lese bis heute überwiegend in Handarbeit - abgesehen von wenigen Reben, die auf planeren Flächen vertikal als Spalier angebaut werden. Der Anbau der Weinreben begann auf Madeira wie der von Zuckerrohr und Weizen mit der portugiesischen Kolonialisierung der Insel im 15. Jahrhundert. Um Wasser vom regenreichen Norden in den südlichen Teil der Insel zu transportieren, wurde das Bewässerungssystem der Levadas entwickelt, die bis heute genutzt werden und die gesamte Insel durchziehen.
Verfahren der Weinbereitung
Die Besonderheiten in der Herstellung des Madeiraweines sind angeblich purem Zufall zu verdanken: Mitte des 17. Jahrhunderts sollen Seeleute entdeckt haben, dass sich die Qualität des Weines durch die langen Transportwege verbesserte. Dies wurde der Hitze zugeschrieben, der die Fässer auf der langen Reise nach Ostindien ausgesetzt waren. Fortan wurden die Fässer auf die sogenannte Vinho da Roda geschickt und monatelang im warmen Schiffsbug gelagert, bevor der Wein in Flaschen abgefüllt und verkauft wurde. Populär war Madeirawein angeblich bereits zu Zeiten George Washingtons, der mit einem Gläschen Madeira auf die Unabhängigkeitserklärung ansgestoßen haben soll.

Das Prinzip der Wärmezufuhr funktioniert heutzutage wesentlich effizienter: Bei der Estufagem-Methode wird der Wein drei Monate lang in Edelstahlbehältern auf 45°-50° erhitzt. Darauf folgt eine Ruhe- und Abkühlungsphase von 90 Tagen, der sogenannte Estágio, bevor die Abfüllung in Flaschen beginnt. 90 % der Madeiraweine entstehen durch diese Methode. Beim Canteiro-Verfahren reifen die Weine wenigstens zwei Jahre, in der Regel 5 bis 90 Jahre, in Holzfässern, die auf hölzernen Stützen, den Canteiros, unterm Dach der Adegas, der Weinkeller, gelagert werden. Hierbei altert der Wein durch eine natürliche Oxydation im Fass. Diese Methode ist durch den Zeitaufwand und den damit einhergehenden Volumenverlust wesentlich kostenintensiver und findet nur bei ca. 10 % der Madeiraweine Verwendung. Vor der Wärmebehandlung wird der Gärungsprozess durch die Anreicherung mit hochprozentigem Alkohol unterbrochen. Durch dieses Verfahren der Fortifizierung bleibt eine Restsüße im Wein zurück, die zusammen mit den Methoden der Wärmezufuhr den besonderen Geschmack des Madeiraweins ausmacht.
Rebsorten und Typen
Madeiraweine sind größtenteils Verschnitte, sogenannte Blends, die zur Klassifikation häufig mit einer Altersangabe versehen sind. Reine Jahrgangsweine sind die Colheitas (Harvest), die mindestens fünf Jahre lagern und die Frasqueiras (Vintage Madeira), die aus besonders noblen Trauben hergestellt werden, wenigstens 20 Jahre altern und vor und nach dem Abfüllen in einem speziellen Register erfasst werden müssen.

Durch die besonderen Weinbereitungsverfahren entstehen vier Madeiraweintypen, die sich neben der Rebsorte über ihren Süßegrad klassifizieren: trocken, halbtrocken, halbsüß oder süß. Die bevorzugte rote Rebsorten ist die Tinta Negra Mole, die für alle vier Süßegrade verwendet wird. Qualitativ hochwertiger sind jedoch die dunklen Terrantez- und Bastardotrauben.
Zu 90 % sind Madeiraweine Rotweine, deren Farbe durch die jahrelange Lagerung immer heller wird - über dunkles Bernsteingold hin zu hellem Karamell. Die wenigen Weißweine, Sercial (trocken), Verdelho (halbtrocken), Boal (halbsüß) oder Malvasia (süß), hingegen dunkeln mit dem Alter nach. Die Qualität des Madeiraweins wird durch das IVBAM (Madeira Institut für Wein, Stickerei und Handwerk) kontrolliert und analysiert - erst danach erhält der Wein seine Zertifizierung.
Madeirawein und Speisen
Madeiraweine passen je nach Süßegrad und Rebsorte zu den unterschiedlichsten Speisen und Gerichten: Trockener heller Sercial harmoniert mit Fisch oder schmeckt als Longdrink, halbtrockener Verdelho passt zu kalten pikanten Vorspeisen wie Schinken oder Pasteten, halbsüßer Boal ist eine gute Wahl zu Weichkäse, Pralinen und Petit Fours, süßer Malvasia schmeckt vorzüglich zu Früchten und Desserts und kräftigen Käsesorten wie Roquefort oder Stilton.
Hersteller und ihre Weine

Die Produktion von Madeiraweinen liegt größtenteils in der Hand traditioneller Familienbetriebe: Der größte unabhängige Produzent und Exporteur der Insel ist Henriques & Henriques - Vinhos, S.A., dessen Weinstöcke komplett in Privatbesitz sind - berühmt für seinen sehr weichen Single Harvest 1997.
Blandy's Madeira ist ein 200 Jahre alter Familienbetrieb in Funchal, dessen Weine nach dem Conteiro-System in Eichenfässern reifen. Sein bernsteinfarbener Jahrgangswein Blandy's Harvest Malmsay 2004 riecht nach getrockneten Feigen und entwickelt beim Trinken eine weiche mittlere Süße, die fast nach Karamellbonbons schmeckt und hervorragend zu würzigen und scharfen Gerichten passt.
Einer der ältesten und führenden Produktionsbetriebe Madeiras ist Justino's, Madeira Wines, S.A., die eines der größten Weinlagereien der Insel besitzen, inklusiver sehr alter, hochwertiger Madeiraweinbestände. Sein Colheita 1999 entfaltet ein Aroma von Tabak, Trockenpflaumen, Orangenschalen und Toffee.
H.M. Borges, Sucr. Lda. legt als einer der ältesten Erzeuger von Madeiraweinen ebenfalls seinen Fokus auf hochwertige, gute Lagerbestände. Sein Colheita 1995 verfügt über eine weiche langanhaltende Säure und würzige Nuancen. Vinhos Barbeitos, Ltd. stiegen erst Mitte 40er Jahren in die Weinproduktion ein. Mittlerweile gilt der Enkeln des Gründers Ricardo Barbeito als der "Lafite unter den Madeiraweinen". Sein Colheita 1995, Canteiro Single Cask 32, Meio Doce ist ein heller Weißwein, dessen Süße von einer erfrischenden Säure begleitet wird.