Was macht Ihre Weine aus?
Im Prinzip fühlen wir uns als Steinwein-Produzenten. Das heißt, wir versuchen den Stein, auf dem die Rebe gewachsen ist, in die Flasche zu bringen, um das schmeckbar zu machen. Dafür muss man ökologisch arbeiten, das geht gar nicht anders. Man arbeitet mit den natürlichen Hefen, sie transportieren den Boden in den Wein. Wir arbeiten sehr schonend im Keller. Die Weine werden maximal zweimal, bei den Topweinen sogar nur einmal gepumpt, bis sie in die Flasche kommen. Unser größtes Ziel ist natürlich, dass die Weine einen solche Wiedererkennungswert haben, dass die Leute irgendwann eine Flasche Kühling-Gillot oder Battenfeld-Spanier, das ist der Wein meines Mannes, in der Hand haben und sagen: "Super, ich weiß, wie das schmeckt, ich weiß, wo es herkommt und ich freu mich darauf!"
Sie bauen auch am Roten Hang an der Rheinterrasse Wein an. Was macht die Weine vom Roten Hang so besonders?
Der rote Boden bringt viel Mineralität in die Weine. Die kleine rote Ader, die in Nackenheim und Nierstein aus dem Boden kommt, ist sehr selten: Das ist ein Urgesteinsboden. Und die Reben wachsen auf Felsen, die zerbröckeln und ständig Mineralien freisetzen, die dann wieder in die Reben transportiert werden. Wir haben ja mit unserem Nierstein-Pettenthal vom Roten Hang wirklich tolle Punkte gekriegt. Und wir werden oft von Sommeliers und Gastronomen angerufen, die sagen: "Wir haben hundert Weine vor uns stehen gehabt, aber euren Pettenthal haben wir rausgeschmeckt." Der Wein hat durch den Boden viel Eigenständigkeit. Dass in der Masse auf rotem Schiefer Wein angebaut wird, findet man, soweit ich weiß, nur da.
Sie sind sehr erfolgreich, haben über 90 Parker-Punkte erhalten. Was bedeutet Ihnen das?
Wenn man international anerkannt sein will, muss man im Parker Wine Advocat stehen. Es freut uns riesig, dass wir nicht nur national, sondern auch international bekannter werden. Und wir sind natürlich stolz darauf.
Wie hat Ihnen Message in a bottle beim Weinanbau geholfen?
Beim Weinanbau nicht, da muss wirklich jeder seine eigene Philosophie und seine eigenen Stil entwickeln. Aber für das Marketing, fürs Weiterkommen, fürs Gemeinsame in Rheinhessen war Message in a bottle ganz wichtig. Erst die junge Generation versteht so richtig, dass es niemandem etwas bringt, wenn es nur ein, zwei Topwinzer in einer Region gibt. Es muss viele geben, die tolle Weine machen, damit die Leute einen Grund haben, in das Gebiet zu fahren, um die Weine zu probieren. Das geht nur gemeinsam.
Was unterscheidet die Weine, die jetzt in Rheinhessen angebaut werden von denen, die früher angebaut wurden?
Im Prinzip geht es „back to the roots“. Es liegt aber auch einfach an der Zeit. In den 80er Jahren waren sehr technische Weine beliebt und jetzt besinnt man sich wieder auf das Ursprüngliche: wieder zurück zu den alten Holzfässern, zu den großen Holzfässern. Gearbeitet wird mit natürlichen Hefen und nicht mit den hergestellten Hefen. Außerdem lässt man die Weine auch auf der Maische ziehen und presst nicht ganz aus, was eine Zeit lang propagiert wurde. Es gab auch in den 80er Jahren Ausnahmen, das muss man dazu sagen. Aber dass so viele diesen neuen Weg gehen, das ist neu.
Welche Vorteile haben Sie und Ihr Mann als Ehepaar in der Wein-Branche?
Letztendlich ist es tatsächlich so, dass man nur gemeinsam den Weg gehen kann. Es ist wie bei Gastronomen, denn es nimmt 24 Stunden des Tages ein und sieben Tage die Woche ist man immer in Gedanken beim Wein. Natürlich brauchen wir auch einen Ausgleich, das ist ganz wichtig. Um das gemeinsam zu machen, muss man auch ein bisschen verrückt sein. Zum Glück ticken wir beide gleich.
Welche Vorteile haben Sie als Frau, was unterscheidet Sie von männlichen Winzern?
Ich habe, ehrlich gesagt, als Frau nur Positives erlebt. Man wird anders aufgenommen, das Konkurrenzdenken ist nicht so ausgeprägt. Man misst sich eher mit einem Kollegen als mit einer Kollegin und ich habe wahnsinnig viel Unterstützung erfahren. Es ist wirklich gut, als Frau in dieser Branche tätig zu sein.
Bauen Frauen anders Wein an als Männer?
Da würde ich definitiv Nein sagen. Es ist wie bei einem Koch, man macht viel aus dem Bauch heraus, und das Intuitive ist bei Männern genauso da. Es ist allerdings so, dass Frauen und Männer Wein komplett anders verkosten. Männer sind immer sehr rational bei der Weinverkostung. Sie beschreiben Wein als körperreich, sagen, er habe ein tolles Potenzial oder eine Supermineralität. Wir Frauen, wir sagen eher "Der hat viel Frucht, ich würde dazu das und das essen...". Frauen denken viel, viel mehr in eine kräutrig-fruchtige Richtung. Mache Dinge schmecken Frauen besser und manche schmecken Männer besser heraus, gerade wenn es in Richtung Fehltöne geht ist da ein Riesen-Unterschied. Und was uns Frauen natürlich von Männern unterscheidet, ist, dass wir sehr viel gleichzeitig machen müssen, weil wir ja immer noch Familie, Kinder und Haushalt nebenher, aber auch einen Fulltime-Job im Betrieb haben. Da haben's die Männer manchmal schon ein bisschen leichter. Aber das ist jetzt mit einem lachenden Auge gesagt.
Bei Kühling-Gillot gibt es eine lange Frauen-Tradition. Seit wann wird das Weingut schon von Frauen geführt?
Das ist schwer zu sagen. Dadurch, dass immer die Frauen das Weingut übernommen haben, hat der Name so oft gewechselt, weil dann immer der Name des Partners dazu kam. Wir rechnen mit ca. 200 Jahren, genau beziffern lässt sich das nicht. Aber tatsächlich haben ganz bewusst meine Uroma, meine Oma, meine Mutter und dann ich das Weingut geführt.
Sie bauen nach den drei Qualitätsstufen des Verbandes Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) an, was unterscheidet die Qualitätsstufen voneinander?
Da haben wir im VDP uns am französischen Beispiel orientiert. Es gibt die Basisweine und es gibt die Ortsweine, das sind im Prinzip die Premier Cru, also die Zweitweine. Dann gibt es die Großen Gewächse, die Grand Cru. Ortsweine sind Weine aus einem Ort, aus vielleicht ein, zwei verschiedenen Lagen. Grand Cru wiederum trägt immer den Lagennamen auf dem Etikett und ist der herausragende Wein vom Weingut. Unschlagbar ist, dass dieser Zweitwein nicht bei 30, 40 Euro anfängt, sondern das man für 15 Euro einen ganz tollen Wein für relativ kleines Geld bekommt. Die Premier Cru tragen auch schon den Lagen- bzw. Ortscharakter von den jeweiligen Gebieten.
Wie sieht der typische Käufer von Kühling-Gillot-Weinen aus?
Immer jünger, das ist total toll. Das ist auffällig, seit mein Mann und ich das übernommen haben. Wir haben diese sehr moderne Vinothek gebaut und solche Vinotheken kann man in Deutschland immer noch an zwei Händen abzählen. Die jungen Leute haben gemerkt: "Hey, deutsche Weine sind toll, gerade Riesling", und müssen nicht mehr den Umweg über Weine aus der neuen Welt, aus Kalifornien, Chile und Südafrika machen. Sie kommen heute direkt zum deutschen Wein. Die jungen Leute kommen auch, weil wir einfach lockerer Wein verkaufen, beispielsweise unsere Meinung nicht aufdrücken. Es ist alles okay, was sie sagen: Die Leute dürfen wieder "lecker" zu einem Wein sagen, die Leute dürfen sagen: "Hey, der riecht nach dem und dem". Das ist auch alles richtig, weil es sowieso subjektiv ist. Und ich glaube, diese lockere Herangehensweise zieht das junge Publikum zu uns. Deswegen haben wir von Anfang 20 bis zum Alter meiner Eltern eine ganz breite Kundenstruktur.
Hat diese Entwicklung auch mit Message in a bottle zu tun?
Klar, Message in a bottle hat sich zur Aufgabe gemacht: Wir machen eine Weinparty, um die Leute anders an den Wein heranzuführen. Und das war ein durchschlagender Erfolg. Da waren Leute von 20 bis 65 und alle haben sich wohl gefühlt, weil es ein lockerer Umgang mit dem Produkt war. Man hat aber auch die Weine herausgestellt. Die Weine waren Hauptsache und das ist eine schöne Herangehensweise.
Frau Spanier-Gillot, vielen Dank für das Gespräch!
Carolin Spanier-Gillot
Die 32-jährige Carolin Spanier-Gillot ist Gründungsmitglied von Message in a bottle e.V. und betreibt seit 2002 das Familien-Weingut Kühling-Gillot. Auf den 11 Hektar werden vor allem Riesling, aber auch Burgundersorten und Gewürztraminer angebaut. Dazu kommen 29 Hektar des Weinguts Battenfeld-Spanier, das ihr Mann Hans Oliver Spanier (38) betreibt. Das Paar hat zwei Söhne im Alter von bald einem und bald drei Jahren. Im Gault Millau WeinGuide Deutschland 2011 wird Kühling-Gillot mit vier von fünf Trauben bewertet und gehört damit zu den den fünf besten Weingütern Rheinhessens. Auf beiden Weingütern wird der Wein ökologisch produziert.